Bestimmt hast du schon viel in der Presse vom Blackout und der zunehmenden Gefahr eines großflächigen Stromausfalls gehört. Doch ist das wirklich realistisch? Panikmache? Welche Möglichkeiten gibt es sich ein sachliches Bild über die Lage zu verschaffen und hinter die Kulissen des Stromnetzes zu schauen?
WAS IST ÜBERHAUT EIN BLACKOUT?
Hast du schon mal einen Stromausfall erlebt? Meist dauert es nur wenige Minuten oder Stunden und der Strom war wieder da. Auf der Baustelle nebenan wurde aus Versehen ein Stromkabel beschädigt, aber der Strom war Ruck Zuck über eine andere Leitung umgeleitet und wieder verfügbar. Sowas ist unproblematisch und nicht mit einem Blackout gemeint.
Gefährlicher wird es, wenn es zu einem richtigen Blackout kommt. Dabei handelt es sich um einen großflächigen Stromausfall, der Tage oder vielleicht auch Wochen andauern könnte. Ist zum Beispiel nur ein keiner Teil Deutschlands vom Stromausfall betroffen, kann von außerhalb Hilfe angefordert werden. Auch wird die Versorgung nicht gleich zusammenberechen, da es noch Einkaufsmöglichkeiten usw. in kurzer Entfernung geben würde.
WARUM IST EIN BLACKOUT SO GEFÄHRLICH?
Kommt es jedoch zu einem großflächigen Stromausfall, kann kaum Hilfe von Außen angefordert werden. Die begrenzten Mittel werden dann nicht ausreichen, um der betroffenen Bevölkerung unter die Arme zu greifen. Landkreise, Städte und Bundesländer würden erstmal versuchen sich selbst zu helfen. Richtig schwierig wird es, wenn noch weitere Länder, oder vielleicht sogar große Teile Europas betroffen sind. Das wäre dann ein „richtiger“ Blackout mit schwerwiegenden Konsequenzen.
WARUM DER STROMAUSFALL GLEICH GANZ EUROPA TREFFEN KÖNNTE
Es gibt kein „Deutsches Stromnetz“ wie du vielleicht vermuten magst. Alle Kontinentaleuropäischen Stromnetze hängen miteinander zusammen und bilden das so genannte „Europäische Verbundsystem RG-CE (UTCE)“. Das vielleicht größte Stomnetz der Welt reicht von Portugal bis an die Türkische Grenze des Iraks. Irre, was!
Das bringt viele Vorteile und ermöglicht den Handel mit Strom zwischen einzelnen Netzbetriebern. Vor allem kann die Netzfrequenz viel besser gehalten werden. Aber dazu später mehr. Wird in einem Teil Europas zuwenig Strom produziert, z.B. bei Windstille an der Nordsee, kann die Stromlücke mit Strom aus dem Ausland geschlossen werden.
Auf der anderen Seite kann es natürlich auch zuviel Strom im eigenen Teilnetz geben. Zieht beispielsweise ein Orkan auf kann unter Umständen viel zu viel Strom produziert werden. Wird der Strom nicht innerhalb von Sekunden in andere Teile Europas transferiert, wo Strom fehlt, kann es zu einer Überlastung im Verbundsystem kommen.
Neben dem Kontinentaleuropäischen Verbundsystem UCTE gibt es weitere, deutlich kleinere Netze. So z.B. befinden sich Schweden, Finnland und Norwegen in einem Verbundsystem. Ebenso das Baltikum. Großbritannien ist autonom von allen anderen benachbarten Stromnetzen und nicht Teil größerer Verbünde. Alle diese Stromnetze sind mit unserem Stromnetz verbunden, werden aber unabhängig von unserem Netz betrieben. So kann z.B. auch über Frankreich Strom mit Großbritannien ausgetauscht werden.
Das viele Länder im europäischen Stromnetz hängen hat allerdings auch Nachteile. Gibt es in einem Teil des Netzes technische Schwierigkeiten, besteht die Gefah, das alle Länder kein Strom mehr haben. Dann kommt es zum befürchteten Blackout bzw. großflächigen Stromausfall!
50 HZ – DER HERZSCHLAG UNSERES STROMNETZES
Keine Sorge, ich werde hier jetzt nicht den großen Techniker raushängen lassen und mit Fachbegriffen um mich werfen. Nur eine Sache ist wirklich wichtig zu wissen: Das Stromnetz läuft auf einer Frequenz von 50 Hz. Haben wir zuviel Strom im Netz, steigt die Frequenz. Haben wir zuwenig Strom im Netz, fällt diese ab. Beides kann gleich dramatisch werden. Eine etwas zu große Abweichung von den 50 Hz erzeugt unter Umständen massive Störungen und der Blackout steht vielleicht unmittelbar bevor!
Es gilt also sicherzustellen, dass das ganze Stomnetz immer auf 50 Hz läuft! Das heißt im Prinzip, dass der in genau dieser Sekunde produzierte Strom auch in der selben Sekunde verbraucht werden muss. Ist das nicht der Fall, kommt es zu einer vielleicht folgenschweren Schwankung im Netz.
ZWISCHENFÄLLE IM STROMNETZ UND WARUM WIR KURZ VOR DEM BLACKOUT STANDEN
Klar, das mit den 50 Hz klingt vielleicht wenig greifbar. Die Auswirkungen größerer Frequenzschwankungen können am besten anhand von Beispielen verdeutlicht werden:
Juli 2021: Waldbrände und ein Flugzeugabsturz beschädigten die Stromleitung zwischen Frankreich und Spanien. In der Folge wurden Spanien und Protugal vom Rest des Verbundsystems abgetrennt und es kam zu Stromausfällen. Der Schaden konnte zügig behoben werden.
Januar 2021: In Kroatien gabe es Probleme mit einem Umspannwerk, welches für eine Kettenreaktion in Form von vielen Leitungsüberlastungen gesorgt hat. Es musste im Stromnetz die Notbremse gezogen werden, damit diese Kettenreakton nicht alle Länder im Netz erreicht. Es kam zu einer Aufteilung unseres Stromnetzes in zwei Teile, damit zumindest Westeuropa keinen Blackout bekommt. Problematisch war nur, dass auf einmal viel zuwenig Spanung/Strom in Westeuropa vorhanden war, und im Osteil Europas dagegen viel zu viel Strom im Netz. In der Folge kam es zu Lastabwürfen in Südeuropa. Stromintensive Industriebetriebe wurden „abgeworfen“ und somit vom Netz genommen. Ohne diesen „Netzsplit“ hätte es vermutlich den Europaweiten Blackout gegeben.
März 2018: Streitigkeiten zwischen Serbien und dem Kosovo führten zu einem längeren Frequenzabfall unterhalb von 50 Hz. In der Folge sind sogar Radiowecker mit falschen Uhrzeiten gelaufen und haben sich um bis zu 5 Minuten verstellt.
November 2006: Ein großes Schiff sollte von einer Werft in Norddeutschland von der Ems in die Nordsee gefahren werden. Da die Ems nicht für derart große Schiffe gemacht ist und wichtige Stomleitungen beschädigt werden könnten, wurden diese vorsorglich abgeschaltet. Allerdings wurden die zuständigen Netzbetrieber nicht richtig darüber informiert und es ist zu einem plötzlichen Spannungsabfall gekommen. Das Netzt wurde in zwei Teile getrennt und es gab innerhalb von Sekunden einen Stromausfall bis Spanien. Der Vorfall spielte sich in der Nacht ab. Zum Glück hat davon kaum jemand etwas mitbekommen.
September 2003: Italien war für einen halben Tag ohne Strom, da es einen technischen Zwischenfall in der Schweiz gab. Der Strom war so schnell weg, dass innerhalb italiens nicht dagegengesteuert werden konnte. Sicherheitshalber wurde das Land vom Verbundystemgetrennt und anschließend schrittweise wieder eingebunden.
WARUM DAS STROMNETZ HEUTE IN BLACKOUTGEFAHR IST
Die obigen Beispiele sind sicher Extremereignisse und haben unterschiedliche Ursachen. Sie zeigen aber eindrucksvoll, dass kleinere Probleme wie ein defektes Umspannwerk auf dem Balkan, oder ein Waldbrand, massive Kettenreaktionen nach sich ziehen kann. Auch ist so ersichtlich, dass alle Länder in einem Boot sitzen. Mit allen Vor- und Nachteilen!
Kettenreaktionen bringen also das Stomnetz unter Druck und bis jetzt konnte immer gut darauf reagiert werden. Dennoch gibt es meiner Meinung nach eine große Blackoutgefahr! Bedenkliche Frequenzschwankungen treten mittlerweile so gut wie täglich auf und es kommt zu einem „Noteingriff“ im Netz. Das war früher, vor 10-20 Jahren eine große Ausnahme, aber heute so gut wie tägliche Realität.
Je öfter es Schwierigkeiten im Stromnetz gibt und eingegriffen werden muss, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, das es mal nicht gut geht. Gerade im Winter gibt es gefühlt ständig unerwünschte Frequenzschwankungen. Ist es kalt, wird deutlich mehr Strom benötigt als zum Beispiel im Sommer.
VERFOLGE ALLE SCHWANKUNGEN IM STROMNETZ- NAHEZU IN ECHTZEIT- UND SEI MIT DEM NETZFREQUENZINFODIENST AUF DEM LAUFENDEN
Jens Müller von PC-Projekte.de misst alle Frequenzschwankungen und informiert Interessierte über die laufenden Eingriffe. So bekommst du einen sehr guten Eindruck davon, wie es gerade ums Stromnetz bestellt ist.
Besonders praktisch ist der kostenlose Newsletter von Jens. Melde dich dort an und du wirst per Mail über alle schwerwiegenden Frequenzabweichungen automatisch informiert. Wenn dann mal der Strom weg ist, hast Du vielleicht noch die Mail bekommen und weiß zumindest in etwa was passiert ist. Der Newsletterversand kostet allerdings für Jens richtig Geld und er ist auf Spenden angewiesen. Es werden aktuell nur wirklich große Eingriffe per Newsletter mitgeteilt, da der Mailversand sonst zu teuer wird. Vor einiger Zeit wurden noch kleinere Schwankungen gemeldet, aber mittlerweile gibt es extrem viele Neuanmeldungen, was die Kosten treibt.
Wenn du aber alle Frequenzschwankungen mitbekommen möchtest, folge „Netzfrequenzinfodienst“ auf Twitter. Hier werden alle Meldungen kostenlos veröffentlicht und du kannst dir so ein eigenes Urteil über die Blackoutgefahr bilden. Am besten mit Erinnerung folgen. Dann tauchen die Warnungen direkt auf deinem Handybildschirm auf.